Acht

Die kahlen Wände und die großen Fenster waren wirklich nicht schön, dafür traf man immer Bekannte: Maler, Bildhauer, Leute vom Theater – wer in Athen etwas gelten wollte, war mittags in der Tonne. Zuweilen kam sogar Platon auf einen Kaffee. Meist saß er an einem Tisch in der Nähe der Tür: die Beine übereinander geschlagen, die goldene Brille in die Stirn geschoben, rauchte er ein Zigarillo und blätterte in einem der Bücher, die er gerade nebenan im Buchladen abgeholt hatte.

Tauchte Platon in der Tonne auf, drehte sich Diogenes zur Wand. Beide konnten einander nicht ausstehen: Diogenes hielt Platon für einen machtgierigen Aasgeier. Und Platon, wußte man, nahm Diogenes nicht ernst. Daß er die Idee von einem Staat nach dem Vorbild der Natur, in dem alle Menschen gleich sind und der deshalb ohne Zwang auskommt, als „Schweinestaat“ abgetan hatte, verzieh Diogenes ihm nie.

 

Die Natur, meinte Diogenes, habe jedem Menschen einen Körper gegeben, der eigentlich vollkommen für ihn ausreiche: Beine zum Gehen, Arme zur Arbeit, Augen zum Sehen und Verstand, um sich Nahrung zu schaffen. Trotzdem leben die Tiere, obwohl sie die meisten dieser Vorzüge nicht haben, fröhlicher, sind gesünder und stärker, denn sie jagen keinem Reichtum nach und erwarten sich von der Zukunft nichts Besonderes.

Für nachgerade wider die Natur hielt Dio-genes das zeitige Aufstehen. Deshalb gab er auch, nachdem er sich mehrere Tage als Steinmetz versucht hatte, vor einigen Wochen das Arbeiten endgültig auf. Diogenes kam schließlich fast ohne Essen aus und trug irgendwelche Kleidung, die ihm gerade paßte. Manchmal konnte man ihn noch bei Schnee in Sandalen herumlaufen sehen, weil es ihm zu aufwendig schien, neue Schuhe zu besorgen: Der Körper müsse auch Härten ertragen, erklärte er.

Wenn am Morgen die Sonne so weit gestiegen war, daß ihre Strahlen zu wärmen begannen, erwachten die Kugelrunden. Sie entleerten sich an den Stamm des Baumes, den sie am Abend abgeerntet hatten. So bekam der Baum wieder, was er gegeben. Dann badeten sie im kalten Bach.
   

Luxus. Einmal schlief Diogenes gleich auf der Wiese vor der Tonne, bis ihn am nächsten Morgen die Hunde weckten. Seit diesem Tag behauptete er, es gäbe keine bessere Ruhe, als den Schlaf auf unbedeckter Erde.