Vier

Bis auf Platon, der sich an diesem Tag krank fühlte, waren alle Schüler bei ihm im Kerker, als Sokrates den Schierling trinken mußte. Sokrates selbst war guter Stimmung. Sogar das Nachlassen des Schmerzes im Bein, als man ihm endlich die Ketten abnahm, genoß er als angenehme Folge der Fessel.

Am Abend, nach dem Tod des Sokrates, verließen fast alle seine Anhänger die Stadt. Einige haben Athen nie wieder betreten.

Aischines aber, den Sokrates aus der Gosse geholt hatte, war der einzige, der wirklich versucht hat, nach der Lehre des Meisters zu leben. Er nahm sich der Witwe und der drei Kinder an. – Aus ihnen ist leider nichts besseres geworden, als meist in solchen Fällen: dumme Söhne eines berühmten Vaters.

Und lieber hat sich Aischines später seine Brötchen dürftig verdient, durch Schreibarbeiten und indem er Stunden gab, als dem toten Sokrates Dummheiten in den Mund zu legen, wie es alle anderen taten.

Um die meisten Schüler des Sokrates aber ist es still geworden. Etliche sind im Ausland geblieben, einige haben sich in unauffällige Berufe geflüchtet: verbitterte alte Männer. Einzelne haben über ihre Erinnerungen an Sokrates geschrieben – Bücher, die niemand braucht. Staubfänger in den Buchläden.

Nur Platon hat den Bogen geschafft, indem er das, was er für wahr und richtig hielt, genau dann aussprach, wenn es gerade nicht mehr gefährlich war. Trotzdem erntete er dafür Ruhm, denn er war noch immer der erste, der dazu den Mut aufbrachte.

Jener, der als erster wieder zu Sinnen gekommen war, begann, die Verzagten aufzurütteln und anzutreiben: Er teilte die nötigen Arbeiten ein, schlichtete bald aufflammenden Streit.

Lob. Schmeichler, meinte Diogenes, sind wie Schnaps: Sie verwirren die Sinne und fressen lebendigen Leibes deine Leber.

Vermögen. Viele Fähigkeiten und Fertigkeiten zu besitzen, ohne ständig davon Gebrauch zu machen, hielt Diogenes für wahren Reichtum: Sei ein Redner, doch übe das Schweigen. Sei ein Reisender und entdecke die Nähe. Sei ein Krieger, aber kämpfe mit dir!