Alle liebten wir Lais. – Selbst Aristipp, der es für ziemlich bedenklich hielt, mehr als zweimal mit derselben Frau zu schlafen, hat sein schönstes Gedicht für sie geschrieben: Lais in den Spiegeln. Obwohl er verheiratet war, und obwohl er immer behauptete, er besitze sie zwar, sei aber nicht von ihr besessen … Warum soll ein Mann nicht auch zwei Frauen lieben können? Oder eine Frau mehrere Männer? Eigentlich ist es doch armselig, sich nichts anderes vorstellen zu können, als eine Frau, mit der man schläft, auch besitzen zu müssen. |
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Diogenes fand die Ehe ohnehin albern und wider die Natur. Wenn schon, meinte er, sollte man die häßlichsten Frauen heiraten: von denen würde man dann wenigstens geliebt. – Was seine Abenteuer betraf, war Diogenes, dem die Frauen nicht gerade nachliefen, besonders empfindlich. Dem Frierenden ist bekanntlich jeder Wind kalt … Jedes Jahr im Sommer fuhr Aristipp, der eine Menge Geld für sie ausgab, zwei Monate lang mit Lais ans Meer. Eigenartig: Keiner von uns war eifersüchtig. Genauso gut schlief Lais ab und an auch mit anderen, sogar mit Diogenes, von dem sie keinerlei Geschenk annahm. Lais, die hin und wieder für Maler und Bildhauer Modell stand, war auf unser Geld auch gar nicht angewiesen. Wir liebten Lais, und Lais liebte die Liebe: Es bereitete ihr Lust, Lust zu bereiten. Ihr warmes Lachen wehte dann über das Laken oder über die Wiese … – Die Liebe sollte zu den schönen Künsten zählen. Alle reden über sie wie Kenner, aber wenige verstehen sich wirklich darauf. Lais war Künstlerin. Heute ist Lais verheiratet, vergeudet ihr Talent in einer lustlosen Ehe und tröstet sich mit der Erziehung ihrer Kinder. Sollte nicht ein anderes Leben möglich sein, als in der Familie zu verkümmern? – So ist der ganze Staat ein einziges Gefängnis, und die Familie ist die kleinste Zelle. |
Da sie beiderlei Geschlechts gewesen waren, merkten die Halbierten nun, was ihnen abhanden gekommen: Sie warfen sich aufeinander, immer wieder, drangen ineinander, umschlangen sich mit ihren vier Armen und vier Beinen und suchten so den Schnitt zu vergessen. |
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