Eins

Jedesmal, wenn ich mittags in die Tonne kam, saß Diogenes schon in seiner Ecke, vor sich die leere Tasse, und wartete, daß ihm jemand den nächsten Kaffee bezahlen würde. Deshalb war an seinem Tisch auch immer ein Stuhl frei.

Kaum hatte er mich gesehen, winkte Diogenes dem Kellner, noch ein Glas zu bringen. Auf dem Tisch stand bereits eine halbleere Flasche. Offenbar war auch Krates gerade angekommen. Neben dem Tisch lehnte sein Ranzen: Ein schäbiger Lederbeutel, der alles enthielt, was Krates besaß.

Eigentlich waren wir damals alle arme Hunde. Diogenes rauchte ungenießbare Zigaretten – vermutlich, damit ihn niemand anschnorrte. Keiner besaß viel mehr als die Kleider, die er auf dem Leib trug. Da wir nichts zu verlieren hatten, brauchten wir uns aber auch um nichts zu sorgen. Und während die Athener arbeiteten, saßen wir in der Tonne und tranken Kaffee.

Krates, der gerade grinsend vom Klo kam, hatte sich das Haar lang wachsen lassen und trug es, zum Zopf gebunden, über die linke Schulter. Seit er seinen Beruf geschmissen hatte und zu Hause ausgezogen war, feierte er diesen Tag, an dem er sich aus Recht und Ordnung freigelassen hatte, jedes Jahr. Manchmal sah man Krates monatelang nicht. Die meiste Zeit reiste er umher und wohnte bei Freunden. Erst, seit er mit Hipparchia, die er seine „Katze“ nannte, zusammen war, kam er wieder öfter nach Athen. Auf jeden Fall aber traf man Krates an diesem Tag in der Tonne.

Diogenes, der die Theorie vertrat, was Freunde besäßen, sei Gemeingut, bestellte gleich noch eine Flasche.

 Als es noch keine Zeit gab, weil bei allem, was geschah, auch gleich das Gegenteil sich ereignete, lag inmitten des Meeres eine kleine runde Insel. Auf dieser Insel lebten kugelrunde Wesen mit vier Armen und vier Beinen.
   

Unterwegs. Mein Ranzen, hatte Krates gedichtet, ist eine Insel im Meer der Träume: Nichts dort bleibt auf Dauer. In keinem Katalog ist sie Reiseziel. Zwiebeln und Brot sind ihr einziger Reichtum: Dafür lohnt sich kein Krieg.

Armut. Ich kenne viele Leute, sagte Diogenes, die sehr viel Geld haben und sich trotzdem für arm halten. – Wie wahr, wie wahr!